3. Teil des Reiseberichts
Unseren Karibiktörn beendeten wir am 17. März in Jolly Harbour (Antigua) und konnten das Boot bei unserem Trans Ocean Stützpunktleiter am Steg vor seinem Haus liegen lassen. Wir flogen für 4 Wochen nach Kiel, wo sich herausstellte, daß Inge auf Grund medizinischer Probleme Ihren Aufenthalt um 7 Wochen verlängern mußte.
Also kehre ich (Wolfgang) allein zurück und nehme die Stella (10×2,5×1,9 m) am Tag darauf in der Marina an Land. Nina und Jan aus Potsdam kommen wie geplant einen Tag später an. Vier Tage Bootsarbeit folgen, Farbarbeiten am Unterwasserschiff, Lack am Holzmast, Auswechseln von Ventilen und Ruderlager. Wieder im Wasser lernen wir andere deutsche Segler kennen, die die geplante Route schon gesegelt hatten und uns mit Hinweisen und geliehenen Büchern unterstützen. So kommen wir erst spät am Mittag los und erreichen den Ankerplatz in Lee von Nevis erst tief in der Nacht. Nach einem Versorgungsstopp auf St. Marten klarieren wir in Virgin Gorda (British Virgin Islands) ein. Das von früher her bekannte rüpelhafte Verhalten der Einklarierfiguren hat sich gemildert. Es folgen 5 Tage Virgin Islands mit Schnorcheln und Sightseeing. Bei den “Bath´s” (deutsch: Bäder) ereilt uns ein Unglück. Jan fällt beim Einstieg ins Dinghi ins Wasser, den Rucksack mit unseren Videokameras auf dem Rücken. Beide Kameras sind unbrauchbar und können auch nicht wiederbelebt werden.
Am 6. Mai starten wir zu den Bahamas. Im Küstenbereich der US Virgin Islands interessiert sich ein Boot der US Coast Guard für uns, will aber über UKW nur ein paar Daten von uns haben, Schiff, Mannschaft, Ziel.
Es folgt eine ruhige Seefahrt mit vorwiegend raumem Wind und teilweise lang andauerndem Regen, anfangs oft flau oder windstill, so daß der Motor helfen muß. Im Logbuch liest man:
Am 10. Mai, 06.35 Uhr: ruhige Nacht, Dreifarbenlampe ausgefallen .
Am 11. Mai, 06.40 Uhr: hoher Schwell von NE, Wind NE 3 , starke Schiffsbewegungen, Besatzung wohlauf, ausgelastet mit Wäsche waschen, Brot backen, Essen kochen und schlafen. Später wird die Schleppangel wegen dauernder Verstopfung mit Sargassotang endgültig eingeholt.
Am Sonntag, dem 13. Mai um 11.00 Uhr fällt schließlich der Anker in der Nähe von George Town (Exumas). 720 sm in etwa 6 Tagen liegen hinter uns. Am nächsten Tag gehen wir auf die Reede vor der Stadt und klarieren ein. Warum so ? Einerseits soll man in den meisten Ländern sofort nach dem Eintreffen einklarieren. Andererseits wird außerhalb der üblichen Dienstzeit gern “overtime” kassiert. Also kommt man eben “richtig” an, wenn´s nicht anderweitig eilt.
Die Bahamas sind meist flache Inseln. Leider ist auch das Wasser in vielen Buchten für unseren Tiefgang von 1,90 m zu flach. Aber es gibt noch genügend Möglichkeiten für uns. In bequemen Tagestouren gehen wir die Kette der Exumas nach Norden, schnorcheln im herrlich klaren Wasser und genießen die friedliche Umgebung. Am 17. Mai schließlich gehen wir bei totaler Windstille unter Motor über das große Flach nach Nassau. Es ist drei bis fünf Meter tief, der weiße Grund ist klar zu erkennen mit allen kleinen Steinen und Tieren. Manchmal kommt ein Korallenkopf in Sicht, aber auf unserem Kurs ist keiner unter drei Meter Wasser darüber.
Dort eine kleine Episode: Jan und Nina sind von ihren Sommerurlauben am Ostseestrand gewohnt, die Wärme nackt zu genießen und tun das hier auch. Nur in der Nähe von Ortschaften und anderen Schiffen ziehen sie sich was an, um uns bei den amerikanisch prüden Leuten kein Strafmandat einzuhandeln. Gegen Mittag kreist ein Flugzeug der “Bahamas Defense Force” im Tiefflug um uns. Vermutlich haben die jungen Soldaten Interesse an Nina, die auf der Kajüte sitzt und Gemüse schnippelt. Erst als ich sie über UKW Kanal 16 frage, ob ich etwas für sie tun könne, drehen sie ab. Kompliment für die gute Figur von Grandma Nina (58)!
Am 18. Mai erreichen wir Nassau. Jan und Nina haben gerade noch Zeit für einen Stadtbummel und fliegen nach Hause. Am nächsten Tag kommt Matthias, der kurzfristig für Inge eingesprungen ist, um mit mir bis New York weiterzusegeln. Er hat drei Wochen Zeit mitgebracht. Natürlich will er auch was von Nassau sehen, dann laufen wir aus, um an der Ostseite der Abacos (Nord-Bahamas) zu schnorcheln. Das gelingt nur bedingt, denn der Himmel ist bedeckt und das Riff, das uns zur Verfügung steht, ist zwar voller Schönheiten aber reichlich tief und daher dunkel.
Am 25 Mai schließlich machen wir uns auf zur Chesapeake Bay. An den ersten fünf Tagen ist der Himmel meist bedeckt, es ist zum Teil gewitterig. Nach einer zehn stündigen Motorflautenfahrt können wir mehrere Tage segeln. Wir sind aber oft mit Kurs- und Segelwechseln beschäftigt. Durch Vergleich der GPS- und Log- Anzeigen erkennen wir einen Gegenstrom von etwa einem Knoten und gehen mehr nach Westen unter Land. Am 29. Mai haben wir den Golfstrom zu fassen, der hier mit ein bis eineinhalb Knoten schiebt. An diesem Tag wird es für uns abwechslungsreich. Um die Mittagszeit kurze Gewitterbö von etwa 8 Bft, danach abwechselnd West 4, dann wieder NW 7-8 mit Regen. Eine Stunde später Ost 3, später SW 2, abends um 18.30 Uhr SW 7 mit Regen, 10 Minuten später NW 8, zum Glück nur für 15 Minuten. Aber NW 6 halten eine längere Zeit durch. Das alles auf dem Golfstrom, der zwar schiebt und uns zum Teil nach Luv versetzt, aber eine eklige Kabbelsee erzeugt. Deshalb sind wir froh, als der Wind im Laufe der Nacht ruhiger wird. Am nächsten Tag um 9.00 Uhr vormittags muß wieder der Motor helfen bei NNW 1 bis 2 und restlichem Schwell. Wir stehen noch ca. 100 sm SSW von Cape Hatteras, vor dem uns amerikanische Segler gewarnt hatten. Aber es bleibt friedlich. Zwar müssen wir abends noch für drei Stunden gegen NE 5 bis 6 aufkreuzen, aber dann macht sich ein Hoch breit und der Motor bringt uns voran. Am 1. Juni laufen wir in die Chesapeake Bay ein und machen nach einem kleinen Ankerstopp in einer Marina fest. Für die 680 sm haben wir 6 1/2 Tage gebraucht. Am nächsten Tag hat Matthias Geburtstag, also: Hafentag, Einkaufs- und Stadtbummel mit anschließendem Restaurantschmaus.
Das Einklarieren geht übrigens ohne Schwierigkeiten vor sich. Der Zöllner, ein Herr gegen 70, will anfangs nicht einmal an Bord kommen. Dabei hatten andere Segler von Razzien und beschlagnahmten Lebensmitteln erzählt. Das Boot erhält das übliche Cruising Permit für ein Jahr. Die Emigration-Dame, die noch extra herantelefoniert werden muß, ist mit uns auch schnell fertig. Matthias, der über Miami nach Nassau geflogen war, hatte in Miami das “Visa Waiver Program” verlangt und erhalten. Nun wurde er gar nicht grenzpolizeilich behandelt. Bei mir wurde dagegen das eingeklebte US-Visum als wesentlich beachtet. Ich erhielt die üblichen Stempel und auf meine Bitte hin eine Aufenthaltsgenehmigung von einem Monat über das übliche halbe Jahr hinaus.
Diese unterschiedliche Behandlung hat folgende Ursache: Ausländer, die nicht mit einem fahrplanmäßigen Verkehrsmittel in die USA einreisen, benötigen ein Visum, das nur in den jeweiligen Heimatländern erteilt wird. Das traf auf mich zu. Matthias jedoch war mit einem fahrplanmäßigen Flugzeug in Miami eingereist, hatte dort das o. g. Progamm in Anspruch genommen. Dadurch konnte er anschließend mit nicht fahrplanmanäßigen Verkehrsmitteln ohne Visum ein- und ausreisen.
Lange hält es uns nicht in Portsmouth. Am 3. Juni sind wir wieder unterwegs mit dem Ziel New York, anfangs mit leidlichem Wind um West, dann wegen flauer Winde aus fast allen Richtungen nur noch unter Motor. Am 5. Juni laufen wir gegen Abend Great Kills an, einen ruhigen Hafen im Außenbereich der New Yorker Bucht. Am nächsten Tag geht es weiter auf New York los, zwar bei bedecktem Wetter, aber was solls ? Es wird geknippst und gezoomt. Wir haben Motive genug. Wir gehen im Hudson an eine Boje der Marina an der 79. Straße.
Mit unseren Freunden in Manhattan Down Town ist schnell der Kontakt hergestellt. Wir erkunden die Stadt, z. T. unter kundiger Führung und duschen im Hause unserer Freunde.Von der Aussichtsplattform des World Trade Center (WTC) genießen wir den Blick über diese Weltstadt und fotografieren ruhigen Sinnes. – Heute nach dem 11. September schaue ich mir diese Bilder nicht ohne Bewegung an. –
Am 9. Juni fliegt Matthias nach Deutschland zurück und Inge kommt an Bord, nunmehr gesundheitlich gestärkt und voller Ideen. Andererseits sind wir nun ohne die gewohnte Terminpeitsche: Antigua – Nassau in vier Wochen, Nassau – New York in drei Wochen. Nun geht es geruhsamer zu, für uns und die Stella. Sie ist schließlich lange genug in Dienst und braucht Zuwendung. Den weiteren Verlauf schildert nun Inge aus ihrer Sicht.
Ich fliege nach New York, komme dort spät im dunkeln an und wir (Wolfgang hat mich abgeholt) fahren mit einem Taxi zur Marina (60 kg Gepäck fahren mit). In der Marina wird das Gepäck in unser Dinghi geladen und wir verholen zur Stella.
Die nächsten zwei Tage verbringen wir in New York mit Besorgungen, Einkäufen von Proviant, Museumsbesuchen, Besuch des WTC und Treffen mit unseren Freunden. Am 3. Tag machen wir uns auf den Weg nach Norden, der uns zunächst den Hudson River abwärts, um die Spitze von Manhattan herum in den East River und dort am UNO-Gebäude vorbei zum Hell-Gate führt. Das Hell-Gate stellt die Verbindung zwischen dem Long Island Sound und dem East River dar. Da beide Gewässer Tidengewässer sind, fließen die Tidenströme in der Enge sehr heftig. Alle Handbücher raten, nur bei Stillwasser die Enge zu passieren. Wir haben uns so eingerichtet, dass alles kappt.
Für den weiteren Verlauf der Reise sehen meine Pläne etwa so aus:
Durch den Long Island Sound, Newport (RI), Inseln südlich des Cape Cod (z. B. Martha´s Vinyard), Cape Cod Canal, Provincetown, Boston, entlang der Küste nach Maine und zurück. Wolfgangs Pläne weichen hiervon ein wenig ab. Da sich nördlich von Cape Code die Verhältnisse gründlich ändern – die Wassertemperatur sinkt bis auf 12 Grad, Tiden nehmen stark zu (bis 3,5 m Tidenhub in Maine), die Tidenströme werden teils heftig, (die Stella ist mit bis zu 12 kn über Grund geschossen), der Nebel soll statistisch alle 3 Tage zuschlagen, und die Bojen der Hummerfangkörbe lauern in 2 millionenfacher Anzahl auf die Propeller harmloser Sportboote. Der Wind weht im Juni, Juli und August in der Regel flau aus Südwest, nur wenn sich eine Kaltfront von den großen Seen nähert, frischt es aus Nordwest auf. Da wegen der geringen Windstärken und der Tidenströme häufig der Motor gebeten werden muß, ist der Propeller natürlich von den Hummerbojen besonders gefährdet. Amerikaner, die wir im Long Island Sound treffen, schwärmen oft von Maine. Die Frage nach den Hummerbojen wird ganz einfach beantwortet, sie haben rotierende Messer vor dem Propeller! Wegen all dieser Gefahren möchte Wolfgang nicht gern nach Maine.
Wir bringen unsere Pläne auf einen gemeinsamen Nenner. Zunächst bleiben wir fast vier Wochen im Long Island Sound, um dringend notwendig gewordene Überholungsarbeiten an der Stella auszuführen:
Nach Arbeiten am Motor (Auswechseln des Starters, der Schwingmetalle der Motoraufhängung und der Salzwasserpumpe) wenden wir uns dem Mast und dem Rigg zu (Auswechseln der Oberwanten, Lackieren des Mastes). Schließlich muß die Windselbsteueranlage eine neue Welle bekommen und an Deck muß Rost bekämpft werden. Die Holzteile im Cockpitbereich sind zu lackieren und dann fällt die Antenne unseres GPS aus. Da für unseren AP-Navigator in Amerika keine Antenne zu haben ist, muß ein neuer GPS her. Die Installation des Gerätes und der Antenne gehen viel schneller als das Studium des Handbuches. Nachdem wir die wichtigsten Funktionen beherrschen und auch die Anzeigen im Display nach unseren Wünschen gestalten können, trifft auch wieder eine Antenne für den AP aus Europa ein. Beide Geräte sind in Sichtweite des Rudergängers installiert. Wolfgang liebt den AP und fährt danach, ich bevorzuge den neuen Garmin und richte mir den ein.
Für alle diese Arbeiten ankern wir zunächst fünf Tage in der Manhassetbay und später zwei Wochen auf der großen Reede von Block Island, das etwa südlich von Newport (RI) liegt und von allen Amerikanern als besonders lohnendes Ziel angesehen wird. Danach geht es dann über Newport (RI), das wir auch nochmals auf dem Rückweg anlaufen, durch den Cape Cod Canal nach Provincetown. Den Canal soll man nur bei mitlaufendem Strom passieren, da die Tidenströme mit bis zu 6 kn laufen.
Provincetown ist ein bemerkenswerter amerikanischer Sommerurlaubsort. Er liegt auf der äußersten nördlichen Spitze der Cape Cod Halbinsel, hat viele kleine Holzhäuser und wird überragt von einem schlanken und sehr hohen Turm, der von See weit zu sehen ist, wenn kein Nebel herrscht. Der Turm wurde zur Erinnerung an die Pilgrim-Fathers gebaut, die hier nach ihrer Ankunft im November mit Hilfe der Eingeborenen ihren ersten Winter überlebten. Die heutigen Gäste von Provincetown sind in überraschend großer Zahl gleichgeschlechtliche Paare, die auf allen Straßen und Promenaden Hand in Hand anzutreffen sind. Viele Hotels, Pensionen und Gaststätten signalisieren durch bunte Fahnen, daß diese Gäste bei ihnen willkommen sind.
Das kühle Wasser nördlich des Cape Cod nutzen viele Wale, um auf einer nährstoffreichen Bank zu leben. Von allen umliegenden Häfen gibt es Wale-Watching-Ausflüge, meist mit Wal-Garantie. Wir segeln auf dem Weg nach Boston einen kleinen Umweg und sehen auch zwei Wale. Schon in der Ansteuerung von Boston nehmen die Hummerkorbbojen deutlich zu, obwohl wir erst Massachusetts erreicht haben. Wir liegen in Boston an einer Boje direkt vor dem Stadtzentrum. Die Reede ist tags sehr unruhig, da ständig Fähr- und Ausflugsschiffe mit großem Schwell das Bojenfeld passieren. Hafenmeister in der Marina, zu der die Bojen gehören, ist Alex aus Deutschland. Er lebt in der Marina auf einem Wohnboot und kümmert sich um alles. Er fährt mit uns mit seinem Auto zu einem Schiffsausrüster in einem Vorort von Boston, um Ersatzteile für den Außenborder zu kaufen. Alex ist wirklich sehr nett ! Mit der Metro fahren wir nach Cambridge und sehen uns die Gebäude der Havarduniversität an. Das MIT (Massachusett Institute of Technologie) besuchen wir nicht mehr, weil ein heftiges Gewitter am Himmel steht und wir uns in die Metro flüchten.
Heftige Gewitter haben wir häufiger erlebt. Die von den großen Seen kommenden Kaltfronten verdrängen die subtropische Warmluft in der Regel mit einer Gewitterfront, die teilweise mit heftigen Böen verbunden ist. Eine dieser Gewitterböen mit etwa 45 kn Wind erlebten wir auf der Reede von Block Island. Da das Ankergeschirr der amerikanischen Yachten in der Regel nur für Kaffeefahrten ausgelegt ist, gingen etliche Yachten auf Drift. Eine Motoryacht strandete hoch und trocken. Die Boote der Abschleppdienste, die dort wie bei uns auf den Straßen die gelben Engel des ADAC zur Verfügung stehen, hatten viel zu tun. Auch die Coast Guard ist viel häufiger gefragt als bei uns. In den Gewässern nördlich von Washington verging kein Tag ohne PANPAN-Meldung. Die Inhalte der Notmeldungen waren in der Regel schwer zu identifizieren, da die Coast Guard sehr schnell und mit lokalem Slang redet. Soweit wir das verstanden haben, handelte es sich vorwiegend um aufgelaufene Schiffe, gelegentlich hörten wir etwas von Wassereinbruch oder gebrochenem Mast.
Nach einer Nacht in dem alten Fischereihafen Gloucester (New Hampshire), der einen verfallenen Eindruck macht, erreichen wir Maine. Die Wassertemperatur ist deutlich gesunken, damit hat die Kondensation im Unterwasserschiffbereich der Stella deutlich zugenommen. Tags ist dasWetter immer noch angenehm warm (um 25 Grad C), doch abends und nachts wird es schnell kühl. Die Abende verbringen wir unter Deck. Als warme Hausschuhe trage ich Helly Hansen Faserpelzsocken. Bisher waren seit Nordspanien vor ca 14 Monaten nur Sandalen oder barfuß angesagt.
Wir laufen in Maine eine Reihe von Häfen an, unter anderem fahren wir den Kennebec
River etwa 15 sm aufwärts nach Bath. Wir machen an einer Boje des Seefahrtsmuseums fest, da der Fluß sehr tief ist und ein heftiger Tidenstrom fließt. Ankern wäre hier schwierig. In Bath ist u.a. eine große Marinewerft, in der auch neue Kriegsschiffe für die US-Navy gebaut werden. Im Museum werden wir von einem ehrenamtlichen Mitarbeiter angesprochen, der zuvor als Arzt 8,5 Jahre an amerikanischen Militärkrankenhäusern in Deutschland gearbeitet hat. Nach einem gemütlichen Klönabend auf der Stella lädt er uns am nächsten Tag zu einer Autofahrt durch Maine und abends zu sich nach Hause ein, wo seine Frau ein excellentes Dinner serviert. Unterwegs können wir noch in einem Supermarkt einkaufen.
Das Einkaufen ohne Auto ist in Amerika oft schwierig, da selbst Lebensmittelgeschäfte vom Hafen und von den Ortszentren weit entfern an Ausfallstraßen liegen. Mitfahrgelegenheiten mit Autos haben wir immer gern genutzt, vor allem um uns mit Getränken frisch zu versorgen.
Wir schippern die Küste entlang weiter nach Norden, bis wir die Penobscot Bay erreichen und ankern vor Rockland. Unseren Hummerkörbeslalom setzen wir nicht bis Camden fort, einem sehr beliebten Urlaubsziel. Auskunftsgemäß gibt es wegen Fülle keine Ankermöglichkeiten und die Bojenplätze sollen 40 bis 45 US $ pro Tag kosten.
Maine hat viel Ähnlichkeit mit Skandinavien. Es besteht im Wesentlichen aus Granit, ist von der Eiszeit geformt, stark bewaldet und mit Ferienhäusern übersät. Die Küste ist niedrig und stark gegliedert, es gibt jedoch nur wenig Inseln. Die Ferienkäuser sind in der Regel deutlich größer als die skandinavischen. Naja, dann sind da noch die Hummerkorbbojen und die Tidenströme und der Nebel.Wolfgang hält das Revier für schwierig, aber wir haben viel Glück. Uns trifft der Nebel nur selten, den Hummerkorbbojen können wir immer ausweichen und der Motor versagt nie.
Von der Penobscot Bay treten wir die Rückreise an, besuchen vorwiegend Plätze, die wir auf dem Weg nach Norden ausgelassen haben. Darunter sind viele Ankerbuchten, die uns von amerikanischen Seglern als besonders schön empfohlen worden waren. In manchen Fällen können wir das Urteil teilen, manchmal können wir die Empfehlungen auch nicht nachvollziehen. Z.B. die Isles of Shoal (New Hampshire). Eine kleine kahle Inselgruppe vor der Küste, vollgeklatscht mit großen Hotelbauten.
Nach Durchfahren des Cape Cod Kanals erreichen wir wieder den Long Island Sound und schließlich am 24. August New York. Nachzutragen zu unserem 10 wöchigen Törn nördlich von New York sind noch zwei Punkte.
Am Long Island Sound liegt Mystic Seaport. Dies ist ein Museumshafen, in dem einige alte Segler liegen. An Land ist ein Musemsdorf entstanden, in dem Gebäude aus dem 18. Jahrhundert zusammengetragen wurden, so daß der Eindruck einer kleinen Hafenstadt mit Einrichtungen wie Seilerei, Schmiedewerkstätten, Druckerei und Bank und noch vielen weiteren Gebäuden entstanden ist. Wir hatten in Seglerberichten gelesen, daß Ausländer hier für eine Nacht kostenlos festmachen können. Für eine weitere Nacht wären jedoch 3 US$ pro Fuß fällig geworden. Für die Stella hätten das 99 US$ bedeutet. Wir blieben nur den einen Tag.
In New York haben wir sowohl auf dem Hin- wie auf dem Rückweg an der Boje einer Marina an 79. Straße im Hudson River fest gemacht. Die Boje kostet 15 US$ pro Tag oder 90 US$ die Woche. Allerdings hat die Marina keine Duschen und WC. Wasser und bewachtes Dinghidock werden für das Geld geboten. Nördlich von New York kosten die Bojenplätze in der Regel zwischen 35 und und 25 US$ pro Tag, je weiter man nach Norden kommt, desto preiswerter. Wann immer möglich, haben wir daher geankert, von Zeit zu Zeit war jedoch eine Boje fällig, entweder, um zu duschen oder weil es wegen der großen Bojenfelder in angemessener Tiefe keine Ankerplätze mehr gab. In den Marinas sind in der Regel 2 US$ pro Fuß und Tag zu zahlen. Erst in der Nachsaison (ab September) ist es in der Chesapeaeke Bay billiger(1 bis 1,5 US$ por Fuß und Tag). Ankern ist immer kostenlos.
Nach fünf Tagen New York-Aufenthalt, segeln wir früher als geplant Richtung Chesapeake Bay los. Der Wetterbericht hat uns eine Kaltfront mit etwa 2 Tagen Nordwestwind angesagt, die wir nutzen, um die Delaware Bay zu erreichen. In 36 Stunden legen wir bei flauen Winden die 120 sm zurück und können den Weg um die Sände an der Mündung der Delaware Bay durch den Cape May Canal verkürzt. Mit unserem Mast passen wir nämlich unter der 55 Fuß- Brücke hindurch, und unser Kiel rutscht bei Hochwasser so eben über die flachsten Stellen rüber. Der Chesapeake und Delaware Kanal führt uns in die Chesapeak Bay. Das ist eine große Bucht, etwa 180 sm lang und nur wenige sm breit. Die Ufer sind von unzähligen Buchten gesäumt. Man sagt, hier kann viele Jahre gesegelt werden ohne je einen Ankerplatz zwei Mal besuchen zu müssen. Die Ufer sind meistens dicht bewaldet und wieder, wie kann es anders sein, von Häusern übersät. In die Chesapeake Bay mündet der Potomac, der zumindest bis Washington schiffbar ist.
Am 8. September bekommen wir Besuch. In Baltimore, einem Industriehafen, dessen innerer Teil zu einem Touristenzentrum mit viel moderner Architektur ausgebaut ist, kommt Roland aus München an Bord, der uns für zwei Wochen bis Washington begleiten wird. Unser nächstes größeres Ziel ist Annapolis, das wir am 11. September morgens erreichen. Wir ankern laut Seekarte vor der Marine-Akadamie auf einer “Navy anchorage”, wo bereits etliche andere Boote liegen. Wir machen das Dinghi, das wir bei ruhigem Wetter und geschützten Gewässern immer hinterher schleppen, startklar und suchen zunächst – wie eigentlich immer – eine Touristinformation auf, um uns Stadtpläne und weitere Infos zu besorgen. Es ist etwa 10.30 Uhr Ortszeit. Wir erhalten zunächst keine Auskünfte, sondern werden gefragt, ob wir schon von New York und Washington gehört hätten.
Zunächst waren die Nachrichten über den Terroranschlag noch verwirrend, die Auswirkungen waren aber sofort spürbar. Bei einem Telefongespräch mit einem HNO-Arzt (deutscher Segler) zur Verabredung eines Termins ist auch gleich die erste Frage “Habt Ihr schon gehört?” Der anschließende Spaziergang durch die Stadt führt uns zum Landeshaus (Annapolis ist die Hauptstadt von Maryland). Die Auswirkungen sind direkt sichtbar. Das Landeshaus ist geräumt und für Besucher gesperrt und die Straßen, die zum Landeshaus führen, sind für den Autoverkehr durch Polizeiautos abgeriegelt. Auf einem Rasen vor dem Gerichtsgebäude wird der gesamte Posteingang von einem Hund beschnüffelt, der auf Sprengstoff abgerichtet ist. Anthrax ist noch kein Thema. Zum Mittag suchen wir ein Restaurant mit Fernseher auf und sehen die ersten Bilder von New York und Washington. Nach dem Essen teilen wir uns auf. Wolfgang fährt mit dem Dinghi an Bord, Roland und ich machen uns auf den Weg zur öffentlichen Bibliothek (in Amerika haben alle Bibliothken öffentlich zugängliche Internetanschlüsse). Als Wolfgang sich dem Ankerplatz nähert, sieht er, wie andere Boote von einem Boot des Hafenmeisters abgeschleppt werden. Die Ankerleinen wurden gelöst und mit einer Boje gesichert. Die Mitarbeiter sind froh, daß mit Wolfgang ein Eigner zurückkommt, der sein Boot selbst verholt. Die Marineakademie, die jahrelang das Anken vor ihrem Ufer geduldet hat, ist nervös geworden und hat die sofortige Räumung angeordnet. Als Roland und ich nach einem 30 minütigen Marsch die Bibliothek erreichen, ist sie geschlossen. Nach den Terroranschlägen sind alle öffentlichen Gebäude geräumt worden. Wir konnten also kein Lebenszeichen per Internet von uns geben. So haben wir dann telefoniert.
Die Versuche, unsere Freunde in Südmanhattan zu erreichen (sie leben fünf Blocks nördlich vom WTC) scheitern zunächst. Wie wir später erfahren, waren sie 14 Tage evakuiert, und danach wurde die Post noch nicht zugestellt, so daß unsere Postkarte immer noch nicht eingetroffen war. Telefon ging auch noch nicht. Aber eMail über Freunde hat funktioniert. Schwedische Segler, die wir in der Marina am Hudson getroffen hatten, erzählten uns bei einem späteren Treffen, daß sie am 11. September noch im Hudson an der Boje lagen und danach zwei Wochen gefangen waren, weil der Hudson zumindest für den Sportbootverkehr gesperrt war.
Wir segeln oder motoren weiter nach Süden und erreichen über den Potomac wie geplant Washington. Vor dem inneren Hafen werden wir von einem Coast Guard-Schiff angehalten. Wir gehen längsseits und zwei junge Burschen steigen über. Einer sichert an Deck, der andere macht sich daran, die Stella nach Sprengstoff zu untersuchen. Einige Blicke in Schrankfächer und unter die Bodenbretter genügen. Nach zehn Minuten können wir weiterfahren. In Washington spüren wir die Auswirkungen durch Hubschrauberüberwachungsflüge, die vor allem auch nachts durchgeführt werden. In den Museen werden Handtaschen und Rucksäcke streng kontrolliert, sonst scheint das Leben unverändert. Die Einwohner klagen über Verkehrsbehinderungen, da die Straßen um das Pentagon weiträumig gesperrt sind.
Nach vier Tagen, die wir großenteils auch mit amerikanischen und einem deutschen Freund verbracht haben, verlassen wir Washington und erreichen planmäßig die Herring Bay am Westufer der Chesapeake Bay.. Hier haben wir vereinbart, die Stella an Land zu nehmen, Reparaturen durchzuführen und neues Antifouling zu malen. Wenn Zeit ist, wollen wir noch mit einem Mietauto ein bischen durchs Land fahren, daraus wird ein Dreitagesausflug zu den Niagarafällen. Danach lassen wir die Stella 4 Wochen allein, um nach Hause zu fliegen.
Eine schöne Zeit liegt hinter uns. Wir haben viel gesehen, neue Leute kennengelernt, uns mit alten Freunden getroffen. Nur gesegelt haben wir nicht viel. Der Wind war häufig so flau, daß Gottlieb, unser Motor, aushelfen muß.
In Kiel haben wir viel zu tun. Unter anderem suche ich die Ärzte auf. Die Ergebnisse lassen uns beschließen, nach Rückkehr Richtung Panama zu segeln. Im Februar werde ich wohl noch einmal zur Kontrolle kommen bevor wir in den Pazifik gehen oder im Atlantik bleiben.
Ingeborg Voß und Wolfgang Dinse